Nachhaltig leben

Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde

Dr. Eckart von Hirschhausen studierte Medizin und Wissenschaftsjournalismus in Berlin, London und Heidelberg. Seine Spezialität: medizinische Inhalte auf humorvolle Art und Weise zu vermitteln und gesundes Lachen mit nachhaltigen Botschaften zu verbinden. Seit über 20 Jahren ist er als Komiker, Autor und Moderator unterwegs. Aktuell widmet er sich mit dem Buch „Mensch, Erde!“ und der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ ganz dem Klima- und Umweltschutz.

Lieber Dr. von Hirschhausen, angenommen die Erde ginge zum Arzt, was wäre dessen aktuelle Diagnose?

Unser aller Mutter liegt auf der Intensivstation. Mutter Erde hat Fieber und das Fieber steigt weiter. Sie hat sogar Multiorganversagen, das ist das schlimmste, was man auf Intensiv haben kann, mehrere Systeme funktionieren nicht mehr richtig, Atmung, Kreislauf, Entgiftung in den Nieren, Stoffwechsel. Bei Mutter Erde ist das der Jetstream, der eigentlich dafür sorgt, dass sich Wetterlagen ändern und eine Region nach einer Hitzeperiode wieder aufatmen kann. Dem Kreislauf entspricht der Wasserkreislauf, der durch die zusätzliche Wärmeenergie zu Extremen neigt, zu Starkregen, Wirbelstürmen und massiver Dürre und Trockenheit. Die Entgiftung funktioniert nicht, weil Dreck, Feinstaub und Mikroplastik in der Luft und im Wasser sich nicht abbauen lassen. Eins ist klar: es geht ums Überleben. Und viel Zeit ist nicht mehr, an diesem kritischen Zustand etwas zu ändern.

 

Und was würde der Arzt der Erde verschreiben?

Vermutlich eine Diät vom Homo Sapiens! (lacht) Nein, im Ernst, die Therapie haben nur wir Menschen in der Hand. Die großen persönlichen Hebel sind weniger fliegen, weniger Fleisch und mehr politisches und öffentliches Engagement von allen. Ich habe eine Bahncard 100, Ökostrom und investiere in Erneuerbare und Aufforstungsprojekte weltweit. Aber das reicht nicht. Ich habe in meinem Bühnenprogramm „Endlich!“ einen witzigen und zugleich ernsten Teil über die ganzen Widersprüche, in denen wir alle stecken. Es ist grundfalsch die Lösung der Probleme nur durch Einsicht und Verzicht erreichen zu wollen. Ich kann nicht „eigenverantwortlich“ dafür sorgen, dass endlich Bahnfahren in Deutschland so gut funktioniert, wie in Frankreich, Japan oder der Schweiz, dass der öffentliche Nahverkehr fluppt und am besten umsonst ist, dass es ein Tempolimit gibt und einen wirksamen CO2-Preis. Dafür braucht es politische Mehrheiten und wissenschaftsbasierte, wirksame Gesetze. Da hoffe ich sehr auf die neue Regierung.

 

Sie sagen „Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten“. Klingt vollkommen logisch, warum verhalten wir uns nicht so?

Karl Valentin sagte sehr treffend: Der Mensch ist gut, nur die Leut´ sind schlecht. Wir sehen also nicht, was wir in Summe anrichten, weil jeder seinen eigenen Beitrag für klein und unbedeutend hält. Wenn das aber 8 Milliarden so sehen, haben wir ein Problem. Sehr menschlich ist auch, auf andere zu zeigen. Menschen sind nicht gut oder schlecht, sondern in hohem Maße Gewohnheitstiere und soziale Wesen. Wir tun was wir für „normal“ halten. Und deshalb ist es so wichtig, gute Regeln für alle zu finden: Wer die Luft verdreckt, soll dafür zahlen. Wenn wir ehrliche Preise hätten für die Dinge, wäre auch allen klar: „Bio“ ist nicht teuer, sondern das Billigfleisch ist durch Milliarden an Subventionen zu billig und zerstört für den Futterbedarf den Regenwald, durch die „Abgase“ der Kühe die Atmosphäre und durch die Gülle die Böden und Gewässer.

Die nächste Generation wird uns gestiegene Meeresspiegel weniger verzeihen als gestiegene Spritpreise.

Dr. Eckart von Hirschhausen Komiker, Autor und Moderator, HUMOR HILFT HEILEN

Ist gesundes Leben automatisch nachhaltig?

In den meisten Fällen ja, deswegen müssen wir viel mehr betonen, welche Vorteile wir selbst haben, wenn wir Klimaschutz als Gesundheitsschutz begreifen: Ich atme lieber die Abgase von 10 Radfahrern ein als von einem SUV. Und in einer Welt, in der rund 2 Milliarden Menschen übergewichtig und eine Milliarde mangelernährt sind, müsste es doch eine bessere Verteilung zum Wohle aller geben, oder? Die Idee einer „Planetary Health Diet“ verbindet das, was dem Körper guttut, mit dem, was dem Planeten guttut. Und das ist vor allem weniger Fleisch, weniger Zucker und Milchprodukte, mehr Nüsse, Hülsenfrüchte und buntes Gemüse. Das kann zum Beispiel der Standard in allen öffentlichen Kantinen, Mensen, Kitas und Schulen sein, Kopenhagen hat 80 % Bio im Einkauf für die Verpflegung festgesetzt – zack ändert sich Nachfrage und Gewohnheiten.

 

Wie schaffen wir es auf globaler Basis immer gesünder (und älter) zu werden und trotzdem unseren Planeten nicht noch weiter auszubeuten?

Das schaffen wir nur mit ganz neuen Formen des Zusammenlebens: weniger Konkurrenz, mehr Kooperation und Gemeinwohlorientierung. Statt wie in den 80er-Jahren die »Selbstfindung« als das wichtigste Projekt seines Lebens anzusehen, könnte es heute genau um das Gegenteil gehen: Die Selbstaufgabe – weniger Ego und Optimierung, mehr Hingabe und Bereitschaft zu teilen. Damit ließen sich zwei Dinge verbinden: Die Rettung der eigenen seelischen Gesundheit und die dringend notwendige Reduktion unseres Ressourcenverbrauchs.

Dr. Eckart von Hirschhausen engagiert sich für eine medizinisch und wissenschaftlich fundierte Klimapolitik
Dr. Eckart von Hirschhausen engagiert sich für eine medizinisch und wissenschaftlich fundierte Klimapolitik Quelle: Dominik Butzmann

Sie haben die Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ gegründet. Womit beschäftigt sie sich, was sind ihre Ziele?

Wissenschaft allein verändert kein Verhalten und führt nicht zu den politischen Entscheidungen, die jetzt notwendig sind. Mit der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ möchte ich dazu beitragen, dass diese notwendige Transformation von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft neuen Schwung bekommt. Dazu brauchen wir einen frischen „Spirit“: überparteilich, kooperativ, generationsübergreifend und mit ansteckend guter Laune. Mein Team und ich arbeiten gerade unter Hochdruck an vielen Hebeln und mobilisieren die Ärzteschaft und die Pflege zu dem Thema Stellung zu beziehen, als zentrale Multiplikatoren in die Mitte der Gesellschaft. Wir arbeiten mit großen Stiftungen und Netzwerken zusammen, sind auf dem Ökumenischen Kirchentag, der Weltklimakonferenz und beim World Health Summit präsent, Ziel all‘ unserer Aktivitäten ist es, dass der deutlichen Mehrheit unserer Gesellschaft bewusst wird: Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten. Und dafür brauchen wir radikale Änderungen in der Art und Weise, um zukunftsfähig und enkeltauglich zu leben.

Haben Sie Beispiele für konkrete Aktionen Ihrer Stiftung?

Jede Menge. Wir pflanzen keine Bäume, sondern Ideen – denn die wachsen schneller. Am besten folgen Sie uns dafür auf Instagram. Die großen Ärzteorganisationen und auch der deutsche Pflegetag stellen sich inzwischen voll hinter das Thema Klimaschutz als Gesundheitsschutz. Da ist in den letzten drei Jahren mehr passiert als in den letzten 30 – und das war ein ziemlicher Kraftakt. Wir zeigen, wie unsere Gesundheit von der globalen Gesundheit abhängt, dass also mehr in Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit zu investieren, das Beste ist, was wir tun können. Im Wahlkampf ging es viel zu sehr darum, was kostet Benzin, wenn die Grünen regieren. Die nächste Generation wird uns gestiegene Meeresspiegel weniger verzeihen als gestiegene Spritpreise. Zur Koalitionsverhandlung haben wir Filme, Plakate und Hintergrundgespräche gestartet mit dem Slogan: „Das teuerste, was wir jetzt tun können ist nichts“.

Die nächste Generation wird uns gestiegene Meeresspiegel weniger verzeihen als gestiegene Spritpreise.

Dr. Eckart von Hirschhausen Komiker, Autor und Moderator, HUMOR HILFT HEILEN

Wie kann man Sie unterstützen?

Den Anschub habe ich selber finanziert, inzwischen bekommen wir Zuwendungen von Stiftungen und Spender:innen. Davon brauchen wir mehr, damit die Arbeit kontinuierlich getan und ausgebaut werden kann. Salopp gesagt ist „die dunkle Seite der Macht“, nämlich die ganzen Lobbygruppen für den Status Quo, sehr viel besser finanziert und organisiert. Das darf nicht so bleiben. Das hat man im Wahlkampf gesehen, wer da die Kohle hatte, ganzseitige verunglimpfende Anzeigen zu schalten etc. Es braucht mehr Profis auf der Seite der Zivilgesellschaft, nicht nur Idealisten und Ehrenamtliche. Es braucht die besten Köpfe, die kreativen, die visionären und die Organisations- und Kommunikationstalente, denn wir haben eine Jahrhundertaufgabe vor uns, für die wir noch nicht mal ein Jahrzehnt Zeit haben. Also die Frage zurück: Was tun Sie und Ihre Kunden?

 

Kennen Sie die UmweltBank und ihr Geschäftsmodell – und was halten Sie davon?

Ja, Ihr Slogan „Mein Geld macht grün“ gefällt mir als Freund des Wortspiels. In der Frage, welche „Social Tipping Points“ es gibt, also Hebel um schnelle Veränderungen in der Gesellschaft zu bewirken, steht der Finanzsektor ganz oben. Kurioserweise reden die Menschen inzwischen tabuloser über ihre sexuellen Praktiken als über die Praktiken ihrer Geldanlage. Aber das ändert sich. Bei den Vorlesungen animiere ich die Studierenden von #healthforfuture immer, mal ihre Oma und Opa zu fragen, ob sie nicht ein Konto für die nächste Generation angelegt haben – und wo das Geld liegt, und was es da im Sinne der Enkel tut. Auch die Versorgungswerke haben einen enormen Hebel, deshalb unterstütze ich auch die „Deinvestment“-Bewegung der Ärzteschaft, damit die Milliarden an Pensionsansprüchen da nicht in der Zwischenzeit mehr Schaden anrichten, als die Ärzt:innen heilen können. In meinem Buch „Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben“ gibt es ein Extra-Kapitel „Wohin mit dem Geld“. Denn wenn inzwischen auch Blackrock, McKinsey und andere große und weiß Gott nicht gemeinwohlorientierte Institutionen empfehlen, keine fossile Infrastruktur mehr zu finanzieren, ist das ja kein „linksgrünversifftes“ Ökothema mehr. Ein Kontowechsel ist in einem Tag erledigt. Deshalb dürfen Sie, die das Lesen, auch gerne alle ansprechen, die Sie kennen, ob die schon Grünes machen mit ihrem Geld. Denn wie ich neulich bei Maybrit Illner schon sagte: „Wer meint, dass Ökonomie wichtiger ist als der Erhalt unserer Lebensgrundlagen, kann ja mal versuchen sein Geld zu zählen, während er die Luft anhält.“

 

Herzlichen Dank für Ihre Diagnose.